GEDANKLICHE SORTIERUNG I.

 

Was mich interessiert, ist die komplexe Beziehung von Natur und Kultur.
Mich faszinieren dabei die verschiedenen Blickwinkel auf dieses universelle Thema,
das ja den Menschen mit einschließt.
Zum Einen sind wir Teil der Natur, zum Anderen können wir sie fast vollständig kultivieren. Bereiche wie die Naturwissenschaft oder die Nutzung natürlicher Ressourcen für unsere Zwecke zeigen dies.
Auch den Dualismus zwischen unserem ästhetischen Empfinden und der Bedrohlichkeit,
mit der wir die Natur immer wieder erleben,finde ich spannend.
Im Beobachten meiner Umwelt, im Interesse an naturwissenschaftlichen Bereichen und im Hinterfragen subjektiver Erlebnisse in der Natur, als auch in der Gesellschaft, transformiere ich das Erfahrene in mein künstlerisches Schaffen.
Die entstehenden keramischen Plastiken und installativen Objekte setzen sich aus verschiedenen
Materialien, wie zum Beispiel Ton, Glas und Wasser, zusammen.
Neben meinen plastischen Arbeiten, enstehen Grafiken, in denen ich mich ebenso mit
dem empfindsamen sowie wissenschaftlichen Thema, auseinandersetze.
Die zwei- und dreidimensionalen künstlerischen Arbeiten sollen dem
Betrachter möglichst offenen Interpretationsraum lassen und
gleichzeitig auf die verschiedenen Ebenen von Natur und Kultur hinweisen

 


 

AUSSCHNITTE AUS DER SCHRIFTLICHEN DIPLOMARBEIT "RÜCKZUGSORT - EINE LEUCHTENDE AMBIVALENZ"

 

I. Der dunkle Raum

 

Ich stehe vor einem Gebäude. Es ist rechteckig, hoch und massiv. An den Hauswänden sehe ich keine Fenster, nur eine Metalltür, die einen Spaltbreit offen steht. Mich interessiert, was sich dahinter verbirgt und nähere mich dem Eingang. Als ich versuche, durch den schmalen Spalt hin durchzublicken, kann ich nichts erkennen. In dem Raum herrscht Dunkelheit. Die Tür lässt sich nur schwer öffnen, während ich versuche sie aufzudrücken. Als der Spalt groß genug für mich ist um hindurch zu schlüpfen, gehe ich hinein und beinde mich im Inneren. Neugierig, aber auch mit etwas Unbehagen schaue ich mich in der Finsternis um.

 

In der Mitte des Raumes steht eine leuchtende, gläserne „Unterwasserkonstruktion“.

 

Der Innenraum ist groß und leer nur die Installation und ich beinden sich an diesem Ort. Aus der Distanz kann ich sie überblicken. Sie wirkt wie ein aus Einzelteilen zusammengesetztes Ganzes. Die Konstruktion ist hoch und ich muss hinaufblicken. Angezogen von dem Licht trete ich näher heran und erkenne zusammenstehende, unterschiedlich hohe Metallregale, in denen sich mehrere Glaskästen beinden. Dabei füllt ein Kasten ein Fach aus. Manche Regale sind vollständig, andere halbvoll bestückt. Die gläsernen Kuben sind bis zum Rand mit Wasser gefüllt und geschlossen. Durch das Wasservolumen hat die Installation eine bedrohliche und gleichzeitig eine in sich ruhende, ästhetische Wirkung auf mich. Ich trete näher heran und schaue nach, was sich im Inneren der Kästen befindet. Durch die verschiedenen Höhen der Fächer muss ich mich teilweise bücken oder auf die Zehenspitzen stellen, um zu sehen, was in ihnen enthalten ist. Die mittlere Reihe kann ich mir mühelos ansehen. Auf den ersten Blick erkenne ich unterschiedliche Objekte, die mich an Naturräume erinnern, aber auch an abstrakte architektonische Modelle. Teilweise besitzen die Objekte einen Eingang, ähnlich einer Höhle. Manche Formen ähneln aber auch Tierleibern. Sie erinnern mich an Gesteinsformen, in denen ich Dinge entdecke, die mir vertraut scheinen. Ein anderes Objekt sieht aus wie ein schwerer Stein, der durch sein großes Loch in der Decke einer Grabstätte ähnelt. Ein paar Glasbehälter enthalten reines, klares Wasser und werden mit Licht ausgeleuchtet, die ebenso das Objekt hell erscheinen lassen. Das Wasser einiger anderer Behälter ist trüb und man erkennt nicht sofort, was sich darin beindet. Das Licht durchleuchtet den schleierhaften Zustand der Flüssigkeit und berührt dabei sacht das Objekt. Die verschiedenen
Formen wirken unter Wasser wie von der Realität entrückt, als würden sie sich auf einer anderen Ebene, ähnlich eines Traumes, beinden. Sie sind durch das Glas und das Wasser unnahbar und verschlossen, dennoch fasziniert mich ihre Aura und ich möchte mich in sie hineindenken. Ich trete noch näher an die Glaskästen heran und schaue mir dabei jedes Einzelne genau an.

 

 


 

II. EINE GENAUERE BETRACHTUNG DER DINGE

 

 

Ich muss an die Worte von Beate Ermacora denken, die in dem Ausstellungskatalog „Zwischenwelten“ treffend formuliert, dass „(...) sich eine jüngere Künstlergeneration unserem ambivalenten Verhältnis zu Natur, Landschaft und Stadt dezidiert aus einer poetischen, atmosphärischen, ja nachgerade nostalgischen anmutenden Sicht zuwendet. (...) Dabei wird die Metapher der Natur wieder zum Ausdruck unbestimmter Sehnsüchte, ja zur Verdeutlichung menschlicher Einsamkeit und Verlorenheit herangezogen(...)“.(2) Das Objekt im Glaskasten wird zum „kulturellen Entwurf unserer Beziehung zur Natur“.(3)  Es stellt unsere Wahrnehmung der Natur dar, verweist aber auch auf die Verbindung mentaler Innenwelt mit der physischen Außenwelt.(4) Naturbilder können demnach auch als Symbol der Einsamkeit und Verlassenheit gedeutet werden und dienen als Spiegel des eigenen Seelenzustandes. Somit wird die abstrahiert nachgebaute und ins eigene übersetzte Naturlandschaft unter anderem zu einer persönlichen
„Gedankenkonstruktion“. Durch die sich im Dunkeln beindenden, ins Licht gesetzten Objekte in den Glasvitrinen entsteht eine differenzierte Wahrnehmung von Landschaft und Natur. Sie wirken phantastisch, in eine traumartige Ebene versetzt und gleichzeitig, durch das Wasser, konserviert, das wiederum den Versuch darstellen kann, Natur in ihrer Ursprünglichkeit zu bewahren. Für mich sind diese Objekte „Nachbilder“ der Natur, das heißt, durch die subjektive Erfahrung in Naturräumen und ihrer Betrachtung wird die Natur interpretiert und spiegelt sich in einem eigenem Naturbild wieder. Was dann als realer Gegenstand entsteht, ist ein Zusammenspiel von subjektiven Gedanken- und Emotionsbildern. Die Begrenzung des Glas – und Wasserraums transformiert dieses Gedankenmodell wiederum als ein Eigenständiges und wirkt gleichzeitig als Schutz- oder mentaler Rückzugsraum, als Aufbewahrungsort oder als eine iktive Traumvorstellung.

(2) Ermacora, Beate: „Ein neuromantischer Blick auf Natur und Stadt“, in: Ermacora, Beate / Krefelder Kunsthaus u. a. (Hg.): Zwischenwelten, Kerber Verlag, Bielefeld, 2004, S. 7.
(3) Ebd., S. 8.
(4) Ebd., S. 46.